Am 9. April 2025 verhandelt der Europäische Gerichtshof (EuGH) über einen Fall, der für tausende Spieler und Glücksspielanbieter in Europa richtungsweisend sein könnte. Im Fokus steht die Frage: Können Spieler verlorene Einsätze aus illegalem Online-Casino in Deutschland zurückfordern, obwohl der Anbieter eine maltesische Lizenz besitzt?
Worum geht es?
Der Bundesgerichtshof geht bisher davon aus, dass dies rechtmäßig ist: Es besteht keine Pflicht der Mitgliedstaaten, eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Glücksspielerlaubnis anzuerkennen. Dabei stützt er sich auf die ständige EuGH-Rechtsprechung.
Privaten Glücksspiel-Anbietern wie Lottoland ist in Deutschland ohne deutsche Lizenz grundsätzlich der Betrieb untersagt, auch dann, wenn sie in anderen EU-Ländern reguliert sind.
Der EuGH soll entscheiden, ob er seine langjährige Rechtsprechung fortführt, oder ob er eine Kehrtwende macht und das deutsche Totalverbot von Online-Casinos und Zweitlotterien möglicherweise gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) verstößt.
Bedeutung für Betroffene
Für betroffene Verbraucher deutet vieles auf einen positiven Ausgang hin. Der EuGH hat in der Vergangenheit mehrfach klargestellt, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich das Recht haben, Glücksspieltätigkeiten im Interesse des Gemeinwohls – etwa zum Schutz vor Spielsucht oder zur Wahrung der öffentlichen Ordnung – einzuschränken. Solange solche Einschränkungen kohärent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend ausgestaltet sind, verstößt nationale Glücksspielregulierung nicht gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV).
Das deutsche Verbot von Online-Casinos und privaten Zweitlotterien nach dem GlüStV 2012 wurde in früheren Verfahren von der europäischen und deutschen Rechtsprechung gestützt. Es ist daher wahrscheinlich, dass der EuGH auch diesmal die nationale Regulierung anerkennt und somit die Rückforderungsansprüche von Spielern gegenüber nicht lizenzierten Anbietern stärkt.
Eine Entscheidung zugunsten der Verbraucher würde bedeuten, dass verlorene Einsätze aus illegalem Glücksspiel weiterhin effektiv zurückgefordert werden können – unabhängig davon, ob der Anbieter über eine Lizenz aus einem anderen EU-Mitgliedstaat verfügt.
Warum wird das Urteil so gespannt erwartet?
Ebenso wie der der Bundesgerichtshof haben tausende deutsche Gerichte die Verhandlungen über Rückzahlungen zwischen Betroffenen und Casinoanbietern ausgesetzt. Sie warten die Entscheidung des EuGH ab, bevor weiter verhandelt wird. Es gibt in diesen Verfahren erst Urteile, wenn der EuGH die Frage geklärt hat.
Gut zu wissen: Für die Wartezeit fallen für die Betroffenen Zinsen an, soweit sie im Recht sind.
Kritischer Hintergrund des Verfahrens
Das Verfahren ist erheblicher Kritik ausgesetzt. Es geht um die Praxis sogenannter „konstruktiver Ausgangsverfahren“: Experten halten die Konstellation des Verfahrens für ungewähnlich, teilweise für lanciert. Es ist unüblich, dem EuGH Vorlagefragen zum Recht eines anderen Mitgliedstaats zu stellen (hier: Malta stellt Fragen zum deutschen Recht). Doch genau dies ist hier geschehen:
Ein maltesisches Zivilgericht (Civil Court, First Hall) hat dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zuvor hatte ein deutscher Rechtsanwalt Forderungen deutscher Spieler aus abgetretenem Recht gegen die Betreiber der Plattform Lottoland auf Malta geltend gemacht.
Besonders auffällig: Kläger und Beklagte haben sich trotz der Klage in Malta auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts verständigt. Der EuGH wird sich daher auf die Darstellung des maltesischen Gerichts zum deutschen Sachverhalt nach deutscher Rechtslage stützen müssen – eigene Beweiserhebungen nimmt er nicht vor.
Mögliche Auswirkungen der maltesischen „Bill 55“
Ein weiteres brisantes Thema rund um das Verfahren ist das maltesische Gesetz „Bill 55“, welche im Sommer 2023 verabschiedet wurde. Es erlaubt maltesischen Gerichten, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile gegen in Malta lizenzierte Glücksspielanbieter zu verweigern, sofern diese Anbieter nach maltesischem Recht legal handeln.
Dieses Gesetz hat europaweit erhebliche Kritik ausgelöst. Viele Experten halten es für europarechtswidrig, da es gegen die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen verstößt. Auch die deutsche Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hat Bedenken geäußert.
Ob der EuGH sich am 9. April 2025 auch zur Bill 55 äußern wird, ist offen. Viele Beobachter erwarten es jedoch, und es besteht Hoffnung, dass der EuGH klare Worte findet. Sollte er das Gesetz tatsächlich für unvereinbar mit dem EU-Recht erklären, hätte dies erhebliche Konsequenzen:
In Malta lizenzierte Glücksspielanbieter könnten dann ausländische Rückforderungsurteilen nicht länger aufschieben und müssten Forderungen aus anderen EU-Ländern – etwa von deutschen Spielern – erfüllen.
Damit könnte das Urteil nicht nur einzelne Ansprüche betreffen, sondern die gesamte Struktur des europäischen Glücksspielmarkts beeinflussen.
Wie geht es nach dem 9. April 2025 weiter?
Am 9. April 2025 findet zunächst die mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt. Anschließend wird der Generalanwalt seine Schlussanträge stellen, in denen er eine rechtliche Einschätzung gibt. Diese werden üblicherweise einige Wochen nach der Verhandlung veröffentlicht.
Das eigentliche Urteil des EuGH wird voraussichtlich einige Monate später folgen. Im Schnitt dauert es etwa 6 bis 12 Monate nach der mündlichen Verhandlung, bis ein Urteil verkündet wird.
Eine Entscheidung könnte somit im Laufe des Jahres 2025, voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte, erwartet werden.
Die Entscheidung des EuGH wird dann für nationale Gerichte in ganz Europa bindende Hinweise zur Auslegung des EU-Rechts enthalten und könnte die deutsche Rechtsprechung erheblich beeinflussen.
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