Am 27. Juni 2024 war es endlich soweit: Ein Spieler hatte auf Rückzahlung seiner Verluste gegen Tipico geklagt und dazu die Finanzierung und Unterstützung von Gamesright in Anspruch genommen. In den über zweistündigen Verhandlungen äußerte sich das höchste deutsche Gericht umfänglich zu Gunsten des Klägers! Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird am 25.7.2024 verkündet.
Was bisher geschah:
Der Gerichtstermin wurde zuvor für Vergleichsverhandlungen verschoben. Eine Einigung konnte allerdings nicht erzielt werden, da Tipico kein Angebot machen wollte und zudem große Teile der Ansprüche für verjährt hielt. Der Spieler hatte zwischen den Jahren 2013 und 2018 beim Anbieter gewettet. Der BGH bleibt bei seiner bereits aus dem Hinweisbeschluss aus April bekannten Einschätzung. Er stellte zudem klar, dass er auch einen Verstoß gegen § 284 Strafgesetzbuch bejahen werde, womit eine Verjährung erst nach zehn Jahren eintritt.
Der BGH hob besonders hervor, dass Wetten ohne Konzession gesetzlich verboten sind. Die fehlende Konzession, also die Lizenz zum Anbieten von Online-Sportwetten in Deutschland, führe zur Unwirksamkeit der Wettverträge. Die Gegenseite hatte dagegen argumentiert, hierin läge eine Bestrafung, die europarechtlich unzulässig sei. Dem wollte der BGH nicht folgen. Zwar dürfe der Staat einen Anbieter nicht bestrafen, solange er selbst europarechtswidrig keine Lizenz vergeben habe. Daraus folge aber nicht, dass Anbieter ohne Konzession entgegen des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts doch Wetten anbieten dürften. Auch könne daraus nicht geschlossen werden, dass verbotene Wettverträge mit den Spielern, die gerade vom Gesetz geschützt werden sollen, wirksam wären. Entsprechend handelt es sich bei der zivilrechtlichen Rückabwicklung auch nicht um eine Strafe des Staates, wie bereits der Strafsenat entschieden hat. Der Glücksspielstaatsvertrag, der die Spieler schützen soll, ist europarechtlich unstreitig wirksam, sodass im Verhältnis zwischen Spieler und Anbieter rückabgewickelt werden müsse. Ein Wertungswiderspruch ergäbe sich daraus nicht. So hat der Senat auch schon in einer Sache entschieden, in der es um unlauteren Wettbewerb ging, sodass diese Wertung nicht überrascht.
Eine Vorlage zum EuGH ist unwahrscheinlich:
Angesichts der klaren Haltung des Bundesgerichtshofs drängten Tipicos Vertreter in der Verhandlung darauf, der BGH möge nicht selbst entscheiden, sondern die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Dies würde die Klärung der relevanten Rechtsfragen um weitere zwei Jahre verzögern, was dem Anbieter gut gefallen dürfte. Hierdurch könnte ein großer Teil der Geldforderungen der betroffenen Spieler verjähren. Der Vorsitzende hatte entsprechend bereits in seiner Einführung in Aussicht gestellt, der BGH wolle in der Sache selbst entscheiden und halte eine Vorlage nicht für erforderlich. Tatsächlich dürften bereits alle relevanten europarechtlichen Fragen geklärt sein.
Die erfolgreiche Verhandlung markiert einen wichtigen Punkt im Kampf gegen unerlaubte Geschäftspraktiken im Bereich der Online-Sportwetten und unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes in diesem schwierigen Markt. Experten halten den Ausgang des Verfahrens für richtungsweisend in Bezug auf nahezu alle Anbieter von Online-Sportwetten. Betroffen sind potenziell Anbieter wie der EM-Hauptsponsor Betano, bwin, Bet365, sowie Interwetten, betway, Xtip und einige mehr.
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Hannes Beuck zu den Auswirkungen eines positiven Urteils:
„Für Gamesright war die Verhandlung heute ein voller Erfolg! Der Senat hat sich sehr ausführlich geäußert und uns in allen wesentlichen Aspekten Recht gegeben. Wir gehen davon aus, dass sich zahlreiche Betroffene zu ihren Ansprüchen bei uns melden werden, die bisher noch keinen Kontakt aufgenommen haben. Viele werden diese positive Rückmeldung aus Karlsruhe abgewartet haben, da es sich um das erste Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser Angelegenheit handeln wird. Die gewonnene Rechtssicherheit sichert zudem die Finanzierung dieser tausenden neuen Verfahren.“
Welche Auswirkungen hat ein positives Urteil für die Verbraucher auf die Wettbranche?
„Aktuell werden Anbieter in zahlreichen Einzelverfahren verklagt und zahlen erst nach langen Prozessen, obwohl die Urteile bereits im Vorfeld absehbar sind. Das Grundsatzurteil des BGH verkürzt die Verfahrensdauer und verringert die Verfahrenskosten zugunsten aller Beteiligten, da hierdurch keine rechtlichen Unsicherheiten mehr bestehen. In Zukunft könnte der Weg über die Gerichte somit hoffentlich oftmals vermieden werden und die Betroffenen erhielten sofort ihr Geld zurück.“
Kann man also bei positivem Ausgang des Verfahrens von einem Erdrutsch sprechen?
„Absolut, ja. Im vorliegenden Verfahren zwischen Gamesright und Tipico geht es darum, ob Sportwettverträge mit Anbietern ohne Lizenz bis Ende 2020 unwirksam sind. Wir gehen nun nach der sehr positiven Verhandlung davon aus, dass dieser Grundsatz vom BGH bestätigt wird. Er gilt dann für alle Wetten vor Ende 2020. Entsprechend viele Betroffene dürften sich neu bei uns melden.
Es gibt weitere gesetzliche Gründe, warum viele Wetten unwirksam waren. Darauf hat der BGH in einem Verfahren gegen Betano hingewiesen. Solche Verstöße waren nach unserer Kenntnis die Regel, nicht die Ausnahme. Der Großteil der Verhandlungen wird daher zukünftig auf zwei Ebenen von den Verbrauchern geführt werden: Wegen der grundsätzlichen Unwirksamkeit und wegen der Verstöße gegen materielles Recht. Sollten wir jetzt in der Grundsatzfrage gewinnen, wäre dies für die Verbraucher optimal. Es würde für alle Anbieter ohne Lizenz gelten, ohne weiteren Beweisaufwand.“
Gibt es eine gewisse Anzahl an neuen Fällen, mit der gerechnet wird?
„Es ist schwierig, eine genaue Prognose zu treffen. Wir rechnen mit tausenden neuen Anfragen. Das Urteil könnte eine erhebliche Welle von Klagen auslösen.“
Können auch Wettverluste nach Lizenzerteilung zurückgefordert werden?
„Dies muss in jedem Einzelfall genau von einem Rechtsanwalt geprüft werden. Wir finanzieren bereits etliche Verfahren gegen unterschiedliche Anbieter, in denen Ansprüche auch nach Lizenzerteilung geltendgemacht werden.“
Welche Möglichkeiten bestehen für Tipico, gegen ein negatives Urteil rechtlich vorzugehen?
„Tipico hat den Senat des BGH dazu gedrängt, die Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof zu überlassen. Dabei handelt es sich ersichtlich um einen weiteren Versuch, das lange überfällige Grundsatzurteil zu verhindern. Der BGH ist dem bereits mit dem Hinweisbeschluss aus April zuvorgekommen und er hat auch in dieser Verhandlung klar gesagt, dass er entscheiden möchte. Hätte er vorlegen wollen, hätte er dies bereits vor Monaten tun können, wie er dies beispielsweise bei Lotto- und Casinoverfahren getan hat. Eine Vorlage halte ich daher für ausgesprochen unwahrscheinlich und ich halte sie auch nicht für geboten. Der BGH hat die Kompetenz und das Interesse, den Instanzgerichten eine klare Leitlinie vorzugeben.
Eine Verfassungsbeschwerde könnte ebenfalls in Erwägung gezogen werden. Auch wenn die Erfolgsaussichten äußerst gering sein dürften, könnte auch damit versucht werden, eine endgültige Entscheidung und damit die Klagewelle weiter zu verzögern. Statistisch betrachtet nimmt das Bundesverfassungsgericht die meisten Beschwerden nicht zur Entscheidung an. 2021 war nur etwa eine von 100 Verfassungsbeschwerden erfolgreich. Diese Verfahren betreffen in der Regel politische Fragen oder grundlegende ethische Prinzipien.“
Besteht die Chance, dass Tipico versucht, die Schuld auf den Staat zu schieben?
„Es ist möglich, dass man versuchen wird, die Verantwortung von sich zu weisen. Letztlich wusste aber jeder Anbieter, dass er nicht über die erforderlichen Lizenzen verfügt. Die Angebote waren ausdrücklich ohne Lizenz gesetzlich verboten. Insofern sind wir überrascht, dass Tipico dem Finanzamt Frankfurt kürzlich den Streit verkündet hat. Man möchte wohl damit andeuten, dass etwaige Steuern zu erstatten wären, die auf die verbotenen Wetten gezahlt wurden. Ich halte dies nicht für überzeugend und der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass diese Frage für das Grundsatzurteil keine Bedeutung hat.“
Was könnte ein positives Urteil vor dem BGH für die UEFA in Bezug auf den EM-Sponsor Betano bedeuten?
„Für die UEFA stellt das Thema Sportwetten eine moralische Herausforderung dar. Die Auswahl der Sponsoren scheint stark von finanziellen Aspekten beeinflusst zu sein. Meiner Meinung nach sollte die UEFA ihre Möglichkeiten zu Gunsten der internationalen Verständigung und des Sports nutzen und sollte Sponsoren nicht ausschließlich nach der Höhe der Sponsoringsumme auswählen. Besonders bei einer Großveranstaltung wie der Europameisterschaft, die von vielen Jugendlichen und Kindern verfolgt wird, ist es wichtig, sorgfältig darauf zu achten, für welche Produkte und Dienstleistungen geworben wird.
Wenn das BGH-Urteil bestätigt, dass Sportwettenanbieter in der Vergangenheit weitreichend illegale Geschäfte betrieben haben, sollte die UEFA umso mehr überlegen, ob Betano als Werbepartner geeignet ist.
Betano beteuert, dass sie nun zu 100 % legal agieren, da sie eine offizielle Lizenz besitzen. Wie ich eingangs erwähnte, bedeutet dies nicht, dass die UEFA sich für diesen Sponsor entscheiden sollte.“
Erwarten Sie ein Statement der UEFA zu dem Thema?
„Ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Die UEFA äußert sich nach meiner Kenntnis nicht dazu, wie sie ihre Werbepartner auswählt.“
Auch im deutschen Fußball sind und waren Sportwettenanbieter ein Teil der Sponsoringlandschaft. Was hat der DFB im Falle des BGH-Urteils zu erwarten?
„Der DFB hatte kürzlich mit dem Mutterkonzern von Tipico, CVC, zu tun und plante, Anteile an sie zu verkaufen. Dieses Vorhaben ist jedoch gescheitert, wobei mir der genaue Grund unbekannt ist. Ich denke, dass ein positives BGH-Urteil in unserem Fall diese Entscheidung zumindest festigt und ein solches Vorhaben in Zukunft nicht mehr infrage kommt. Eine weitere Verflechtung zwischen Sportwettanbietern, Vereinen und Verbänden sollte meiner Meinung nach unbedingt vermieden werden. Interessant ist insofern, dass der neue CEO von Tipico, der am 1. Juli 2024 seine Arbeit aufnimmt, vorher Aufsichtsratsvorsitzender von FC Schalke 04 war. Man sieht, dass die Bande hier weiterhin sehr eng verwoben sind.”
Was machen UEFA und DFB mit BETANO als EM-Sponsor falsch?
„Es wird das völlig falsche Signal gesendet. Einigkeit besteht darüber, dass Sportwetten aufgrund ihres hohen Suchtpotentials überhandgenommen haben. Der Glücksspielatlas der Bundesregierung bestätigt dies und weist auf 1,3 Millionen Glücksspielsüchtige sowie weitere 3 Millionen Gefährdete hin. Dies entspricht einem erheblichen Anteil der erwachsenen Bevölkerung, die auffälliges Verhalten zeigt.
Auch wenn Sportwetten in gewisser Weise zum Sport gehören mögen, halte ich es für falsch, bei einer Großveranstaltung dafür Werbung zu machen, insbesondere da hier auch viele junge Menschen auf Sportwetten aufmerksam gemacht werden. Vor vielen Jahren wurden Werbemaßnahmen für Zigaretten und Alkohol aufgrund ihres ähnlichen Suchtpotentials stark eingeschränkt oder verboten. Dasselbe sollte für Sportwetten gelten.“
Welches Motiv hat Gamesright mit der Klage gegen Tipico vor dem Bundesgerichtshof verfolgt?
„Gamesright sorgt mit dem BGH-Verfahren für rechtliche Klarheit. Uns geht es darum, den Verbrauchern zu ihrem Recht zu verhelfen. Bislang verweigern viele Anbieter allein in den tausenden von uns finanzierten und teilweise von uns selbst geführten Gerichtsverfahren jede Einsicht. Sie verzögern damit gerechte und schnelle Ergebnisse. Dies dürfte sich nach dem positiven Urteil nun bald ändern. Unser Ziel ist es, das verbotene Vorgehen der Wettanbieter aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Die langjährigen Spieler sind die wichtigsten Kunden der Wettanbieter. Sie wollen fair behandelt werden und verdienen das auch. Unsere Dienstleistung hilft natürlich in erster Linie diesen betroffenen Spielern, aber sie sollte von der Wettbranche zugleich als Möglichkeit betrachtet werden, Vertrauen bei den eigenen Kunden wiederzuerlangen. Das Lippenbekenntnis, man arbeite „100% legal“, reicht dazu ersichtlich nicht aus. Je schneller die Anbieter sich dazu bereit erklären, desto mehr Imageschaden kann vermieden werden. Wir sind überzeugt, dass sich die gesetzestreuen Anbieter letztlich durchsetzen werden. Dies gilt übrigens auch für Anbieter wie bet365, die – wie bei mehreren unserer Kunden aktuell der Fall – nicht auf rechtskräftige Urteile reagieren. Von solchen Anbietern distanzieren sich die Spieler natürlich. Gegenseitiges Vertrauen ist gerade in der Wettbranche sehr wichtig und dieses Vertrauen können und müssen die Anbieter sich nun zurück verdienen. Wir sehen uns selbst als Baustein in diesem Prozess.“
Anfragen richten Sie bitte an: [email protected]
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